
WO BLEIBT DIE PARTNERSCHAFT?
Sloweniens Staatspräsident Milan Kucan über die slowenische Minderheit in Kärnten, Jörg Haiders Veto-Drohungen und die Neutralität. Interview: Otmar Lahodynsky
Wien (Austria), 5 November 2001
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Herr Präsident, Sie kommen am 6. November zu einem Staatsbesuch nach Wien. Vor kurzem haben Sie in Kärnten vor den Folgen der Budgeteinsparungen für die slowenische Minderheit gewarnt. Landeshauptmann Jörg Haider warf Ihnen darauf vor, Sie würden sich in "innere Angelegenheiten" Österreichs einmischen.
KUCAN
Ich will auf jeden Fall vermeiden, dass die sonst guten Beziehungen zwischen Österreich und Slowenien durch die Politik der derzeitigen Landesregierung in Kärnten interpretiert werden. Natürlich hat der Landeshauptmann das Recht seine Meinung zu äußern, aber er sollte für seine Polemik das von mir Gesagte und nicht Hypothesen heranziehen. In die inneren Angelegenheiten Österreichs habe ich mich keinesfalls eingemischt. Aber in Kärnten lebt nun einmal die slowenische Minderheit. Deren Vertreter haben mir gegenüber die Sorge geäußert, dass die Sparmaßnahmen Grundrechte beschneiden würden. Ich habe daraufhin erklärt, dass ich nicht glaube, dass die österreichische Regierung die Einsparungen im Budget so durchführt, dass dadurch die Rechte der Minderheiten verletzt würden. Diese Grundrechte liegen nicht nur in der Obhut Österreichs aufgrund seiner Rechtsordnung, sondern auch bei der internationalen Gemeinschaft aufgrund des Staatsvertrages und der internationalen Übereinkommen. Die Gleichberechtigung von Minderheiten verlangt immer nach mehr Bemühungen und mehr Rechten, als die Mehrheit für sich verlangen kann. Das ist meine Überzeugung, die ich auch zu Hause verfolge.
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Sie haben soeben eine Delegation Kärntner Slowenen empfangen. Welche Sorgen wurden Ihnen da vorgetragen?
KUCAN
Die Vertreter der Kärntner Slowenen sind der Meinung, dass die generelle Atmosphäre in Österreich gegenüber der Minderheit aufgeschlossener wird. Aber es gibt die Sorge, dass der Budgetsparkurs Grundrechte beschneidet: Da werden zweisprachige Schulen geschlossen, da wird beim Gebrauch der slowenischen Sprache vor Gericht gespart. Auch die Frage der noch immer fehlenden zweisprachigen Ortstafeln wurde aufgeworfen. Die Slowenen in Kärnten sind davon überzeugt, dass bei Verletzungen der Rechte die zuständigen Gerichte wirksam angerufen werden können. Sie sind überzeugt, dass Österreich als Rechtsstaat den Schutz der Rechte von Volksgruppen ermöglicht. Gerade dadurch wird dem Problem die Schärfe genommen, die es in der Zeit der nationalen Unterdrückung der Minderheit noch hatte.
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Wie beurteilen Sie Österreichs Unterstützung für den EU-Beitritt Sloweniens?
KUCAN
Österreichs Erfahrungen in der EU sind für uns wertvoll. In Zukunft wird sich der Einfluss von Mitteleuropa in der Union verstärken. Daher sollte gerade Österreich das größte Interesse daran haben, dass sich die Union in diesem Raum ausbreitet. Die Bedeutung Österreichs in der EU wird so an Gewicht zunehmen.
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Was halten Sie von der "regionalen Partnerschaft"?
KUCAN
Slowenien wünscht sich eine echte Partnerschaft. Ein aktuelles Beispiel: Österreich ist mit der Verkehrspolitik in der EU unzufrieden. Slowenien hat hier die gleichen Interessen. Wir verstehen, dass Österreich sich jetzt eine Diskussion innerhalb der EU über eine Änderung der Verkehrspolitik wünscht. Es ist jedoch unverständlich, dass man dieses Ziel durch die Blockade von slowenischen Beitrittsverhandlungen im Kapitel Verkehrspolitik erreichen will. Wo bleibt da die Partnerschaft?
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Die FPÖ fordert, dass vor einem EU-Beitritt Sloweniens die Avnoj-Bestimmungen über die Enteignung deutschsprachiger Bewohner Sloweniens für obsolet erklärt werden.
KUCAN
Die Avnoj-Beschlüsse über die Enteignung von Kollaborateuren der Besatzer sind natürlich die Konsequenz historischer Vorgänge. In der Diskussion über diese Beschlüsse will man gerade die Gründe für ihre Verabschiedung wegdenken. Die Bewertung der Gesamtheit der damaligen Geschehnisse müssen wir den Historikern überlassen. Nach den heutigen Maßstäben kann man nicht alle Ereignisse der Kriegs- und der Nachkriegszeit verstehen, erklärbar sind sie dennoch. Diese Beschlüsse sollten als erschöpftes und historisch totes Recht betrachtet werden.
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Slowenien will bald der NATO beitreten. Sehen Sie noch eine Funktion in der Neutralität Österreichs?
KUCAN
Die Frage ist: Wovor soll die Neutralität eigentlich schützen? Vor welchen modernen Formen der Gefährdung kann sie schützen? Kann sie uns vor Anthrax schützen? Kann die Neutralität vor der atomaren Gefahr schützen? Man kann verlangen, dass die Atomkraftwerke in der Nachbarschaft geschlossen werden, aber damit hat man die drohende Gefahr nicht eliminiert. Denn heute verfügen auch solche Regime und Gruppen, die man nicht kontrollieren kann, über atomare Technologie. Europa wird sich mit dieser neuen Bedrohung der Globalisierung konfrontieren und beim Kampf gegen sie die Verantwortung übernehmen müssen.
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